Die Zimmerstraße. Schauplatz des Kalten Krieges.

Im Zentrum Berlins, in der Nähe des berühmten Checkpoint Charlie, befanden sich von 2019 bis 2023 die Räumlichkeiten des Berliner Kollegs Kalter Krieg. Die Zimmerstraße lag einst unmittelbar am "Eisernen Vorhang" und ist bis heute ein weltbekannter Schauplatz des Kalten Krieges. Ihre Geschichte kann auch in einem interaktiven Audiowalk nachgehört werden.

 

MAUERBAU

Als die DDR am 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer begann, wurde die Zimmerstraße endgültig zur Grenzstraße: Die Häuser auf der Südseite gehören zu West-Berlin, die Häuser auf der nördlichen Seite zu Ost-Berlin, dazwischen verlief die Mauer. An der Ecke zur Friedrichstraße errichtete die DDR die "Grenzübergangsstelle Zimmerstraße" für die Ein- und Ausreise internationaler Gäste und Diplomaten. Als Gegenreaktion installierten die Alliierten in West-Berlin den Grenzkontrollpunkt "Checkpoint Charlie", eine Kontrollbaracke mit provisorischem Charakter.

ESKALATION AM CHECKPOINT CHARLIE

Nur wenige Monate später wurde der Grenzübergang zum weltpolitischen Brennpunkt: Am 22. Oktober 1961 verweigerten ostdeutsche Grenzer dem US-Diplomaten Edwin Allan Lightner eine unkontrollierte Einreise, auf der dieser entsprechend dem Vier-Mächte-Status der Stadt beharrte. Die SED-Führung versuchte auf diesem Wege, die Souveränität der DDR, die von den Westmächten und der Bundesrepublik nach wie vor nicht als Staat anerkannt wurde, durchzusetzen. Die Antwort des Westens kam prompt: Panzer fuhren auf, und über Tage standen sich sowjetische und amerikanische Panzer kampfbereit gegenüber. International wuchs die Sorge vor einer militärischen Eskalation der nuklear hochgerüsteten Supermächte. Diplomatische Kanäle sorgten am 28. Oktober schließlich für eine Entschärfung der Situation.

TOD PETER FECHTERS

Über Jahre hinweg war im Ostteil des Grenzortes ein tiefgestaffeltes Sperrsystem entstanden, das die Menschen in der DDR davon abhalten sollte, in den anderen Teil der Stadt zu fliehen. Trotzdem versuchen es viele – unter Lebensgefahr. So auch der 18jährige Bauarbeiter Peter Fechter. Gemeinsam mit einem Freund versuchte er am 17. August 1962 die Mauer zu überqueren, zu Fuß und ohne Hilfsmittel. Doch sie wurden entdeckt. DDR-Grenzer eröffneten das Feuer – während sein Freund es noch über die Mauer schaffte, wurde Fechter getroffen. Fast eine Stunde lag der Schwerverletzte schreiend im Todesstreifen. Auf beiden Seiten der Mauer wurden zahlreiche Menschen Zeugen seines qualvollen Verblutens – im Westen auch Presse und Polizei. Doch angesichts der gespannten internationalen Lage wagte keiner, auch nicht die amerikanische Militärpolizei, den Grenzübertritt. Als die DDR-Grenztruppen den Angeschossenen endlich bargen, war es zu spät: Wenige Stunden später starb Fechter in einem Ostberliner Krankenhaus. Peter Fechter war nicht der erste, aber sicher einer der bekanntesten Toten an der "Mauer". Sein gut dokumentierter Tod löste international Entsetzen über den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze aus und wurde zum Symbol für die Unmenschlichkeit des SED-Regimes.

FLUCHTTUNNEL ZIMMERSTRASSE

Gleichwohl gelang mehreren Menschen die Flucht, auch in der Zimmerstraße. Rudolf Müller, der bis zum Mauerbau im Westen arbeitete, aber mit Familie in Ost-Berlin wohnte, hatte in den freien Teil der Stadt fliehen können, während seine Familie zunächst in Ost-Berlin zurückblieb. Über Wochen grub Müller mit Bekannten einen 22 Meter langen Tunnel, der vom Gelände des Springer-Konzerns im Westen bis zum Keller des Hauses Zimmerstraße 56 im Ostteil der Straße führte. Am 18. Juni 1962 kletterte er dort aus dem Stollenzugang, um seine Familie in den Westen zu holen. Doch im Sperrgebiet wurde der kurze Zeit später mit Familie Zurückkehrende vom DDR-Grenzbrigadier Reinhold Huhn aufgehalten und kontrolliert. Müller erschoss Huhn, die DDR-Grenzpolizisten eröffneten ihrerseits das Feuer, doch der Familie gelang unversehrt die Flucht durch den Tunnel. Der tote Grenzer Reinhold Huhn wurde in der DDR propagandistisch zum Opfer westlicher Kriegstreiber verklärt. Fluchthelfer Müller musste sich erst nach der deutschen Einheit für den Vorfall vor Gericht verantworten.

MAUERFALL

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 fiel die Berliner Mauer unter dem Ansturm der Menschenmassen. Auch in der Zimmerstraße wurde die Grenze in dieser Nacht geöffnet. Als Symbol von Unterdrückung und Gewalt wurde die Mauer in der Folge bis auf wenige Reste abgebaut; auch die Grenzübergangsstelle Zimmerstraße wurde gänzlich demontiert. Die internationalen Aspekte der deutschen Einigung wurden 1990 zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs geklärt. Am 22. Juni 1990 wohnten die sechs Außenminister sowie die Bürgermeister der jeweiligen Stadthälften in einer feierlichen Zeremonie dem Abbau des obsolet gewordenen "Checkpoint Charlie" bei.

Mehr über den Checkpoint Charlie und seine Geschichte nach dem Mauerfall erfahren Sie hier zu unserer vergangenen Veranstaltung Goodbye Charlie.

ORT DER ERINNERUNG UND FORSCHUNG ZUM KALTEN KRIEG

In der Zimmerstraße setzte bereits früh die Kommerzialisierung der Erinnerung an den Kalten Krieg ein. Nur zehn Jahre nach dem Abbau der Kontrollbaracke wurde eine Replik durch das dort ansässige private Mauermuseum errichtet. Sie wurde zur touristischen Attraktion. Jährlich spüren hier über 4 Millionen Besucher dem Kalten Krieg nach.

Von Anfang 2019 bis Ende 2023 war das Berliner Kolleg Kalter Krieg in der Zimmerstraße 56 untergebracht. Im Dezember 2023 erfolgte der Umzug in die Finkensteinallee 85-87, dem Standort der Forschungsabteilung Berlin des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ). Als gemeinsames Projekt des IfZ, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Humboldt-Universität zu Berlin dient das Kolleg als Ort des internationalen Wissensaustauschs und der Erforschung der Geschichte des Kalten Krieges.

Erfahren Sie hier mehr zu Forschungsagenda und Forschungsprojekten des Kollegs.